Der König kommt!
Wortgottesdienst am 22.11.2020 in der Pfarre St. Christoph in Thondorf | Auslegung und Deutung
Am letzten Sonntag im Kirchenjahr bietet uns das Evangelium von Matthäus einen Blick auf „die Letzten Dinge“, auf die endgültige Begegnung des Menschen mit Gott.
Das Evangelium des Christkönigsfestes zeigt das „Jüngste Gericht“ als persönliches Gespräch zwischen Gott und jedem Menschen mit dem Blick auf sein Leben.
Jesu Worte über das Jüngste Gericht, das Weltgericht stehen im Matthäus-Evangelium am Ende seiner Reden über die Endzeit. Von seinen Jüngern gefragt, wann das Ende der Welt kommen wird und wie sich dies abspielen wird, gibt er ihnen sehr konkrete Hinweise. Kosmologisch und wissenschaftlich betrachtet, gehen auch wir davon aus, dass das Leben auf diesem Planeten einmal endlich sein wird, aber mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht zu unser aller Lebzeiten und so machen wir uns deswegen auch wenig Kopfzerbrechen. Aber trotzdem ist es notwendig, dass wir uns unser persönliches Ende vergegenwärtigen und uns darüber Gedanken machen.
Denn vor den Worten Jesu zum Weltgericht ermahnt er uns zur Wachsamkeit („Darum wachet; denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt“,) Mt 24,42 wie wir es im Evangelium vor zwei Wochen gehört haben. In den Gleichnissen von den klugen und den törichten Jungfrauen und von den anvertrauten Talenten gibt er seinen Jüngern und uns Beispiele, wie man auf das Ende vorbereitet sein sollte.
Nun folgt die Beschreibung des Weltgerichtes, wie es im heutigen Evangelium zu lesen ist. Die Vorstellung eines Jüngsten Gerichtes, eines Weltgerichtes ist keineswegs spezifisch christlich. Das Matthäus-Evangelium –aus jüdischer Tradition- benutzt ein Bild, eine antike Vorstellung mit persischen, babylonischen und jüdischen Wurzeln. So ist auch im Judentum das endzeitliche Weltgericht verankert und mit der kommenden messianischen Herrschaft eng verknüpft und im Glaubensbekenntnis beten wir jedes Mal um die Richtung der Lebenden und der Toten.
Was erwarten wir in unseren Breiten von einer Gerichtsverhandlung? Gerechtigkeit, ja nachvollziehbare Gerechtigkeit! So erleben wir das in einem Rechtsstaat. Damit Richter Recht sprechen und Gerechtigkeit herstellen können, muss aber auch klar sein, was die Rechtsgrundlage darstellt, welche wir in den Gesetzen finden.
Auch Jesus Christus gibt uns sechs Handlungsanweisungen vor, sechs Grundlagen die zu achten sind: Hungrige speisen, Durstige tränken, Fremde aufnehmen, Nackte kleiden, Kranke und Gefangene besuchen. Was ist ihnen gemeinsam, was unterscheidet sie? Bei Hunger, Durst und Nacktheit geht es um menschliche Grundbedürfnisse zur Sicherung des Überlebens. Auch der Besuch bei Kranken und Gefangenen kann so interpretiert werden, denn Kranke und Gefangene wurden damals oft ausgegrenzt und vernachlässigt. Beim Besuch wird wohl auch mehr gemeint sein, als ein einfacher Besuch. Denn Kranke brauchen die Pflege an Körper und Seele und auch die Gefangenen brauchen Ansprache und ein Gegenüber. Und mittendrin die Fremden, die aufgenommen werden sollen. Immer wieder haben wir das in den letzten Jahren erlebt und das millionenfach übersehene Flüchtlingselend bedarf hier keiner weiteren Erklärung, wir erinnern uns alle an die Bilder. Zusammengefasst, könnte man auch sagen: Hier geht es um die Herstellung von Menschenwürde, die durch Nächstenliebe erfüllt wird.
Die Nächstenliebe ist hier der Maßstab, mit dem unser Leben beim Weltengericht gemessen und bewertet wird: Sorge für die Schwachen und Unterdrückten, Einsatz für die Geringsten. Gelebte Caritas. Gelebte Diakonie. Das ist die Umsetzung der Nachfolge Jesu Christi. Dadurch werden Menschen in unser Blickfeld gerückt, die im Alltag für uns nicht präsent sind. Auch der von Papst Franziskus ausgerufene Welttag der Armen macht uns jedes Jahr aufmerksam auf den sozialen Umgang mit Bedürftigen. Papst Franziskus stellt uns dabei die Frage „Helfe ich jemandem, von dem ich nichts erhalten habe? Habe ich als Christ zumindest einen Armen als Freund?“ Diese Fragen bieten einen krassen Gegensatz zu dem was wir in unserem Alltag oft erleben, hier zählen oft andere Werteskalen, andere Leistungen. Beim Weltgericht zählt aber kein akademischer Grad, keine Auszeichnung, keine wissenschaftlichen Preise oder Errungenschaften, keine Fallzahlen, keine medizinischen Behandlungserfolge. Diese andere Sichtweise Jesu stellt vieles in unserem Leben in Frage und auf den Kopf. Aber gerade diese soll die Gerechtigkeit herstellen, die wir uns einmal erhoffen.
Interessant ist auch, dass die Gerechten ihr Tun gar nicht bewusst wahrnehmen. Sie haben einfach existentielle Bedürfnisse wahrgenommen, erkannt und dagegen etwas getan. Staunend entdecken alle, dass sie Gott in ihrem Leben immer wieder begegnet sind, ihn aber nicht erkannt haben, weder diejenigen, die sich den Armen und Bedürftigen zugewendet haben, noch jene, die die Hilfe verweigert haben. Alle erfahren, dass Gott in ihrer Mitte war als einer, der verborgen in den Armen und Bedürftigen auf sie gewartet hat.
Eigentlich lautet der Richterspruch Jesu „Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ Dies ist die zentrale Botschaft Jesu Christi: „Wenn Ihr Gott, wenn ihr mir Gutes tun wollt, dann tut es meinen geringsten Brüdern und Schwestern“, diese Botschaft ist Christus offenbar so wichtig, dass er nicht nur Belohnung in Aussicht stellt, sondern auch unmissverständlich bei Nichtbeachtung droht. Deutlicher geht es nicht, Jesus stellt die Nächstenliebe als Bedingung auf und auch die Folgen der Nichteinhaltung.
Vielleicht kann uns gerade jetzt in der aktuellen Situation der Corona Pandemie diese Sichtweise Jesu wieder vermehrt in eine Verantwortung holen, die so sonst nicht erfolgt wäre. Erinnern wir uns an die Wellen der Solidarität die wir am Beginn der Corona Krise erleben durften, indem Menschen sich plötzlich für andere stark machten. Und vielleicht dürfen wir auch den neuerlichen Lock Down mit allen Entbehrungen als einen Teil der Handlungsanweisungen sehen auch wenn dies vielleicht im ersten Moment verkehrt wirkt.
Zum Abschluss möchte ich noch mit einer alten Legende schließen welche uns ein Wegweiser sein kann:
Ein alter Abt kam zu einem weisen Mann, um ihn um Rat zu bitten. Im Kloster des Abtes lebten nur wenige Mönche, die miteinander unfreundlich und misstrauisch umgingen.
Der Abt bat den weisen Mann, ihm zu helfen, wie er wieder die Liebe und den Eifer in seiner Gemeinschaft fördern könnte. Der weise Mann gab ihm den Rat: Sag deinen Brüdern, dass unter ihnen der Messias verborgen lebt. Der Abt gab dieses Wort an seine überraschten Mitbrüder weiter, die es sich zu Herzen nahmen. Von dem Tag an betrachteten sie einander mit anderen Augen: Jeder versuchte im anderen die guten Seiten zu entdecken: Liebe, Eifer, Talente, Bedürfnisse und Besonderheiten. So wuchsen in der Gemeinschaft wieder Freude und Zuversicht, so blühte das Reich Gottes auf.
Probieren wir es selbst aus: Betrachten wir die Menschen, denen wir begegnen, mit der Erwartung, dass in ihnen Gott verborgen ist. Und wir werden staunend das Angesicht Jesu in den Armen und Bedürftigen zu finden: Was wir für unsere Schwestern und Brüdern tun, tun wir Gott selbst. Jesus schenkt uns durch diesen Text Augen, die mit Liebe auf die Armen und am Rand stehenden Menschen in unserer Welt blicken. Mit diesem Geschenk stellt er uns gleichzeitig in die Verantwortung, in Liebe an allen Menschen zu handeln. Er möge unsere Bemühungen mit seiner Liebe segnen.
Veronika Reuscher